4. Agentur-Targeting erhält Dämpfer und wird smart
2020 war auch das Jahr der Agentur-Targeting Systeme, Ankündigungen und Gehversuche. Grundsätzlich hat dies dem Thema sehr geholfen, wenngleich auch einige neue Probleme hinzugekommen sind.
2021 wird für Agentur-Targeting-Systeme von drei wichtigen Entwicklungen geprägt sein:
a. Intransparente Arbitrage-Modelle kommen unter Druck: je aufgeklärter der Markt mit dem Thema umgeht, desto weniger werden Kunden akzeptieren, dass der Mediaeinkauf durch Targeting einfach nur weniger transparent wird. Wenn Targeting für etwas glasklar steht, dann ist es Messbarkeit und Transparenz – und natürlich ein nachweislicher Leistungs- und Effizienzgewinn. Systeme die diesen Nachweis nicht bringen können und nur vordergründige wirtschaftliche Vorteile “erwirtschaften”, werden zunehmend unter Druck geraten.
b. Statt Abschottung und Einzelkampf ist Teamplay der Systeme gefragt: das beste Targeting für die Zielstellungen des Werbekunden wird letztlich durch eine intelligente Kombination verschiedener Targeting-Systeme entstehen. Agenturen tragen Ihren Teil bei (insbs. durch Ihr Kundenwissen und dazugehörige Daten), Vermarkter qualifizieren mit Ihren Lesekontakten die Audience und ggf. kommen sogar Dritte hinzu, die weitere qualifizierende Daten beisteuern können. 2021 wird deshalb auch das Jahr der Schnittstellen und Kooperationen sein. Smarte Agenturen werden Ihre Systeme vernetzen und das Beste aus allen Welten zusammentragen. Smarte Targeting-Systeme und Vermarkter werden sich dieser Entwicklung nicht verschließen, sondern das Heft in die Hand nehmen und diese Kooperationen aktiv gestalten.
c. Agenturen benötigen kein eigenes Targeting-System, um sich in diesem Feld zu positionieren: eine ganze Reihe von Media-Agenturen haben in 2020 noch kein eigenes Targeting-System aufgebaut. In 2021 wird deutlich, dass eine Agentur nicht notwendigerweise eigene Tags beim Vermarkter installieren muss, um eine gute Positionierung in diesem Bereich zu erlangen. Eine Öffnung und Vernetzung bestehender Systeme bedeutet nämlich auch, dass nicht jeder, der Targeting anbieten will, ein eigenes System betreiben muss. Vielmehr wird in 2021 eine Konzentration auf die eigenen Stärken – insbesondere bei den Agenturen – die Agenda prägen. Software-Entwicklung und Betreuung von Rechenzentren gehören vielleicht nicht dazu, sehr wohl aber die exzellente Umsetzung von Kundenwissen in eine state-of-the art Kampagnensteuerung.
5. Professionalisierung im Datenschutz – Vertrauen kehrt ein
Bedenken im Datenschutz sind nach wie vor eine der Haupt-Bremsen für die Entwicklung des Targetings. Viele Werbekunden fühlen sich bei der Buchung von Zielgruppen unsicher, aber auch Medien-Verantwortliche scheuen eine Konfrontation mit offiziellen Stellen und der kritischen Öffentlichkeit. Durch die zahlreichen Initiativen die bis 2020 diesbezüglich angestoßen wurden, werden wir in diesem Jahr hier jedoch eine deutliche Änderung der Szenerie erleben. Sauberes Targeting setzt sich durch und wird auch als solches wahrgenommen. Targeting-Systeme werden transparenter, kontrollierbarer und binden den User mit ein. Politische Initiativen, Verbandsaktivitäten (wie z.B. die DIR-Initiative des BVDW, Aktivitäten im IAB Europe usw.) und nicht zuletzt die aus Eigeninitiative der Betreiber vorangetriebenen Datenschutz-Zertifizierungen (ULD und EuroPriSe) sorgen für den nachhaltigen Aufbau von Vertrauen in diese Industrie.
6. Intelligente Datenpartnerschaften und Ad-Hoc Allianzen
Targeting steht wie keine andere Online-Technologie dafür, bestehende Grenzen von Vermarktern, Webseiten oder Netzwerken zu überschreiten. Daher sind Targeting-Optionen auch starke Katalysatoren der Konsolidierungstrends in der Vermarkterlandschaft. Wenn aber Grenzen, für die es bisher gute Argumente gab, durch die neuen Buchungsmöglichkeiten im Targeting nicht mehr notwendig sind und aufgehoben werden können, wird es schwierig werden neue Grenzen einzuziehen. 2021 wird auch zeigen, dass vermarkterübergreifende Kampagnen nicht notwendigerweise eine eigene Organisation und eine dedizierte Infrastruktur benötigen. Übergreifende Kampagnen können “über Nacht” und nach Anforderungen der Kampagne bei Nutzung bestehender Infrastruktur realisiert werden. Weder Agenturen noch Vermarkter sollten also versuchen, die Silos einzureißen um dann einen Silo 2.0 aufzustellen. Vielmehr sollten die unabwendbaren Veränderungen produktiv genutzt und gestaltet werden.
Eine weitere Konsequenz dieser stärkeren Orientierung an den Zielgruppen anstelle von Umfeldern wird in der Hinzunahme von Datenpartnern bestehen. Datenpartner sind Player, die relevante Daten zur Qualifizierung einer Zielgruppe beisteuern können, aber evtl. keine eigenen Kontakte mit dieser Zielgruppe produzieren (und insofern auch keine AIs ausliefern können). An einem Beispiel lässt sich das schön verdeutlichen: wenn es z.B. für eine DSL-Kampagne darum geht herauszufinden, welches die stärksten Daten-Trigger sind um DSL-Wechsler zu identifizieren, könnte der Besuch eines Immobilienportals eine wesentlich höhere Aussagekraft haben als jeder Besuch eines redaktionellen Inhaltes – selbst wenn es dabei explizit um WLAN-Router ginge. Also kann der Vermarkter eine ad-hoc Partnerschaft mit dem Immobilienportal eingehen, um die Zielgruppe so besser zu qualifizieren. Die Werbung liefert der Vermarkter wie bisher auf seinem Inventar aus – wer die Werbung allerdings sieht, wird aus dem Besuch des Immobilienportals gelernt. Da das Immobilienportal an der Auslieferung der Kampagne nicht direkt profitiert, muss es eine entsprechende Kompensationszahlung erhalten. Die Wahrung des Datenschutzes ist auch hier eine der Kernanforderungen, um derartige Datenpartnerschaften auf tragfähigen Boden zu stellen. 2021 wird es erste Beispiele derartiger Partnerschaften geben – inkl. intelligenter Verrechnungsmodelle und Auslieferungsmechanismen.
Teil 3 erscheint am Freitag.