Heute ging die Meldung über den Ticker, dass die Vermarkter Sevenone Media, G+J EMS, Tomorrow Focus und IP Deutschland eine Targeting-Allianz auf die Strasse bringen wollen, die sich gegenüber Google positioniert und große Reichweiten mit übergreifendem Targeting verfügbar machen soll.
Wir haben ja schon früher in diesem Blog dazu aufgerufen, dass die Vermarkter aufwachen und kluge Gegeninitiativen starten sollten, anstatt über Google zu jammern und den Gesetzgeber um Hilfe zu rufen. Insofern freuen wir uns sehr über diesen ersten Schritt und sind gespannt welche konkreten Produkte und Buchungsmöglichkeiten da an den Markt gebracht werden – wenn das Kartellamt grünes Licht geben wird.
Das Potential dieser Allianz ist jedenfalls groß – allerdings nur wenn die Motivation wirklich ist gutes Targeting mit intelligenten Produkten zu realisieren. D.h. es wird eine entscheidende Frage sein, welches Inventar mit welchen Buchungsmechanismen in die Allianz eingebracht wird. Und natürlich auch für welche Technologie man sich entscheidet (wie adzine auch richtig bemerkt).
Denn anders als die genannten Gegenspieler Google und GroupM hat diese Allianz ja auch etwas zu verlieren……hier sollen vier eigenständige starke Portfolios mit jeweils eigenen Schwerpunkten, Vertriebsmannschaften und einer jeweils leicht anders gelagerten Positionierung zusammengebracht werden. Dieses Problem hatten weder Google noch GroupM zu lösen… Denn es hat schon etwas von einer Quadratur des Kreises was hier erreicht werden muss – die lokale Stärke der besten Umfelder nicht zu unterminieren und gleichzeitig in die Allianz soviel Substanz einzubringen, dass diese ein ernstzunehmendes Gegenangebot darstellt.
Und die Frage der Buchungsmechanismen ist nicht minder spannend. Was heisst denn „Reichweiten im Targeting übergreifend verfügbar“ konkret? Wird es z.B. ein globales Frequency Capping geben? Google kann es ja relativ egal sein wo die Werbung konkret ausgeliefert wird – das Inventar besteht zwar auch aus vielen wirtschaftlich selbständigen Einheiten, doch sind diese üblicherweise nicht groß genug um sich in irgendeiner Form über einen Algorithmus für die Auslieferung politisch hinwegsetzen oder diese beeinflussen zu können. Google hat eine bedingungslose Herrschaft des Targeting-Algorithmus durchgesetzt. Wenn man wirklich gegen Google anlaufen will, liegt diese Messlatte sehr hoch. Auf der anderen Seite birgt es einige sehr reale Gefahren wenn man die Auslieferung einfach stur einem Algorithmus überlässt (z.b. durch ein rigoroses FC). Denn nur bei sehr ähnlich gelagerten Portfolios und Nutzer/Nutzungsmustern würden alle gleichermaßen profitieren. Wenn man den Algorithmus aber beschränkt, vermindert sich natürlich auch seine Leistungsfähigkeit. Diesen Effekt kann man unter Umständen mit einem klugen Verrechnungsmodell zumindest abmildern – doch dieses Modell gilt es zu entwickeln und es muss unter den Partnern abgestimmt sein, sowie alltagstauglich, SOX-kompatibel und transparent funktionieren…
Aber damit komme ich zu dem Punkt den ich an dieser Ankündigung ein bisschen schade finde: Warum muss das eine Initiative gegen Google sein? Warum nicht eine Initiative für eine intelligentere Buchbarkeit hochwertigen Inventars mit modernen Targeting-Methoden? Warum wird nicht stärker darauf abgehoben wie spannend und zukunftsweisend dieses Projekt für die Verwertung von journalistischem Content sein kann? Dass man mit Innovation punkten und bestenfalls an Google vorbeiziehen will?
Denn ich bin davon überzeugt – ein entschlossenes, vermarkterübergreifendes Targeting kann für den Advertiser die deutlich überzeugendere und messbar effizientere Lösung sein als alles was Google bisher auf die Strasse gebracht hat.
Dafür wird es aber nicht reichen jetzt auch große Reichweiten buchbar gemacht zu haben. Die Vermarkter müssten vielmehr Produkte anbieten und entwickeln die Google nicht kann oder an denen Google auch gerade arbeitet.
Zum Beispiel Brand-optimierte Auslieferung von großen Kampagnen. Hier ist es mittlerweile möglich Mechanismen des Targeting für die brand-optimization zu nutzen. Und Google ist ein Anfänger was Display-Ads anbelangt und ein Nobody sobald es um Branding-Werbung geht!
Oder Werbung die sich stärker an klassischen Buchungsmodellen ausrichtet, also z.b. eine Buchbarkeit nach GRP anstelle von TKPs.
Oder eine viel konsequentere Nutzung der Kombination von Kreation und Targeting. Auch hier sind die Netzwerklösungen deutlich schwächer und werden es auch bleiben. Die Targeting-Allianz der Vermarkter müsste unbedingt die Tatsache ausnutzen, dass sie auf dem Inventar „sitzen“ und damit viel mehr Gestaltungsmöglichkeiten haben was die Werbeformate anbelangt.
All das zusammengenommen und ein gutes Stück Entschlossenheit dazu käme ein Targeting heraus, das Google alt aussehen lassen würde.
Ich bin mir sicher, dass der Markt nochmal viel deutlicher aufhorchen wird, wenn diese Allianz mit ersten Produkten auf den Markt kommt. Ich glaube wir sollten uns auf starke Produkte gefasst machen, die weniger versuchen „wie Google“ zu sein und vielmehr ein Feuerwerk der Assets beinhalten die nur die Vermarkter auf die Strasse bringen können.
Es wird spannend…