Google macht Predictions, ist aber vergesslich

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Was weiß der „Der Konzern, der mehr über Sie weiß als Sie selbst“ (Der Spiegel, Heft Nr. 2/2010) über mich, wenn ich gar keinen Google-Account habe? Mal schauen.

Ich surfe los und stoße gleich wieder auf einen Artikel über Google: spiegel.de meldet, dass das Bundeskartellamt ein Verfahren gegen Google eingeleitet hat. Aber darum soll es hier ja gar nicht gehen. Unter dem spiegel.de-Artikel finden sich Google-Anzeigen. Darin wirbt u.a. wer-kennt-wen.de aus dem Hause RTL. Aber auch das nur am Rande.

Hier soll es vielmehr um Google´s Interest Based Advertising (IBA) gehen. Seit einigen Wochen kann man sich als normaler User anschauen, welche Interessen Google einem zugewiesen hat. Dazu einfach http://www.google.com/ads/preferences aufrufen. Dort finde ich nun folgendes:

Ich muss dazu sagen, dass dort vor meiner spiegel.de-Lektüre gar nix stand – keinerlei Interessen. Der Kartellamt-vs.-Google-Artikel wird also nicht unplausibel als Rechtswesen, Strafrecht, Aufsichtsbehörden, Nachrichtensender, Zeitungen verschlagwortet, in Echtzeit. Durchaus beeindruckend.

Ich surfe weiter, google nach „wandern kanaren“, rufe ein paar Wander-Sites auf (wobei ich staune,  dass auf fast allen Sites Google-Anzeigen zu finden sind), und mein Interessenprofil wird entsprechend ergänzt:

Jetzt google ich noch nach „rezept sauerbraten“, lande gleich bei chefkoch.de aus dem Hause G+J, auch wieder mit Google-Anzeigen – und dann das:

„Der Konzern, der mehr über Sie weiß als Sie selbst“ hat vergessen, dass ich mich auch für Rechtswesen, Strafrecht, Aufsichtsbehörden, Nachrichtensender und Zeitungen interessiere? Ich habe mir aber auch sehr viel Zeit gelassen beim Surfen, den Kartell-Artikel hatte ich vor etwa einer halben Stunde aufgerufen.

Ich surfe weiter, google nach „garten blumenwiese“, wieder stoße ich fast sofort auf Sites mit Google-Anzeigen, mein Profil wächst wieder:

Ich mache eine Kunstpause, will wissen, nach wie vielen Minuten Google meine Interessen vergisst und ob andere Suchmaschinen mir auch fast nur Sites mit Google-Anzeigen auflisten. Dazu wechsle ich auch den Browser – natürlich nicht Safari, denn da ist ja voreingestellt, dass Cookies von Dritten nicht akzeptiert werden, mir Google also nicht das für sein Interest Based Advertising nötige Cookie namens „id“ von der Domäne doubleclick.net setzen kann. Zum Glück ist Google so userfreundlich, das Deaktivieren des Cookies direkt über http://www.google.com/ads/preferences anzubieten. Denn würde man manuell über die Browser-Optionen nur alle Google-Cookies blocken, dann wäre das Google-IBA-Cookie noch immer da – denn es ist ja ein Doubleclick-Cookie, kein Google-Cookie.

Ich bin mutig und nehme den IE8, obwohl ich XP habe und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik mich davor warnt, weil Chinesen Google angegriffen haben. Auch hier ist  mein Profil zunächst wieder jungfräulich. Aber auch im IE8 mit Yahoo als Suchmaschine und denselben Suchbegriffen stoße ich sofort auf Sites mit Google-Anzeigen.

Inzwischen ist eine dreiviertel Stunde vergangen, in der ich den Firefox nicht angerührt habe, ich reloade http://www.google.com/ads/preferences/ und staune erneut:

Ich bin nicht nur nicht mehr Kartell-interessiert, sondern auch kein Wandersmann mehr, dafür aber ein Tierfreund. Das wusste ich noch gar nicht. Ich habe keinerlei Tier-Content angeklickt und vor weniger als einer Stunde hatte ich noch kein Interesse für “Tiere”. Google macht Predictions!

Jetzt bin ich irgendwie beruhigt: „Der Konzern, der mehr über Sie weiß als Sie selbst“ is not evil, sondern vergesslich und macht falsche Predictions. Und: „Google weist keine sensiblen Interessenkategorien zu, etwa Kategorien, die auf Rasse, Religion, sexueller Orientierung, Gesundheit oder Finanzen basieren.“ Na dann.

Und was sagt Google sonst noch zu „Werbung und Datenschutz“ (http://www.google.com/intl/de/privacy_ads.html)? Da steht u.a.:

Aha. Hat Google wirklich meine Interessen vergessen? Die kennen eine IP-Adresse und wissen für das gesamte Google-Adnetwork, wann ein Rechner mit dieser IP-Adresse auf welcher Webpage (nicht Website!) welche Werbung gesehen und angeklickt hat.

Update: Während ich die Google-Datenschutzbestimmungen gelesen habe, hat Google alle meine Interessen vergessen:

IBA_6

Google weiß, welche IP-Adresse wann auf welcher Webpage im Google-Adnetwork war. Über die Personenbeziehbarkeit von IP-Adressen wird in Deutschland schon lange gestritten (vgl. bspw. http://www.datenschutz-praxis.de/fachwissen/fachartikel/ist-eine-dynamische-ip-adresse-personenbezogen-oder-nicht/, übrigens auch mit Google-Anzeigen).

Zu dieser Frage gibt es ein aktuelles Beispiel aus den USA, die „Pussy“-Affäre: Ein User schrieb eben dieses Wörtchen in ein Forum.

„Natürlich wurde der Eintrag wieder gelöscht. Aber diesmal ging der zuständige Redakteur Kurt Greenbaum der Sache nach. Er prüfte die IP-Adresse des Nutzers, also die Adresse, mit der sich ein Computer im Internet anmeldet. Greenbaum fand heraus, dass sie zu einer Schule in St. Louis gehörte, und rief den Schulleiter an. Der wiederum alarmierte seinen Computerfachmann, und anhand der Netzwerkdaten in der Schule fanden sie heraus, an welchem Computer die bösen fünf Buchstaben eingegeben wurden. Der Mann, der zur Tatzeit an dem Rechner gearbeitet hatte, musste zum Vieraugengespräch ins Büro des Schulleiters. Am Ende der Unterredung reichte er seine Kündigung ein.“ (http://www.welt.de/webwelt/article5326910/Ein-Wort-zu-viel-im-Internet-kostet-den-Arbeitsplatz.html).

BTW: Auch auf welt.de finden sich Google-Anzeigen. Und auch Cookies. Aber Advertiser betreiben einen aufwändigen Anonymizer, damit erst gar keine IP-Adressen ins System kommen können. Bei dynamischen IP-Adressen, wie sie in der Regel beim privaten Surfen von zu Hause aus vergeben werden, ist der Personenbezug ohne Kollaboration des Internet-Zugangsproviders allerdings nicht möglich.

Back again: Google speichert also die IP-Adresse und hat ein wirklich beeindruckend großes Adnetwork. Das kann man sich anschauen u.a. im Google Adwords Programm. Dazu muss man zunächst einen Google-Account anlegen, wozu man neuerdings auch seine Mobil-Telefonnummer angeben muss. Dann aber kann man sich mit dem sog. Placement Tool URLs auflisten lassen: „Finden Sie heraus, ob bestimmte Websites im Google-Werbenetzwerk zur Auswahl stehen und ähnliche Placements verfügbar sind.“ Ich will es herausfinden und teste im Placement Tool „spiegel.de“.

Im Google-Adnetwork finden sich dann Online-Angebote von so ziemlich allen namhaften deutschen Medienhäusern, u.a. spiegel.de, sueddeutsche.de, t-online, bild.de, faz.net, derwesten.de, focus.de, zeit.de, rtl.de, pro7.de – um nur einige besonders namhafte zu nennen. Teilweise scheinen es nur vergleichsweise kleine PI-Mengen zu sein, mit denen vielleicht nur getestet wird. Aber es sind eben auch Angebote von Medienhäusern, deren Branchenverbände derzeit eine Kartellklage gegen Google anstreben.

Auch im IE hat Google inzwischen meine Interessen wieder vergessen. Zumindest auf der für den User sichtbaren Oberfläche. Offensichtlich standen meine scheinbar vergessenen Interessen aber nicht im Cookie (dessen Inhalt hat sich nicht verändert), sondern in einer Datenbank, auf die das Cookie referenziert. Was in dieser Datenbank (noch) steht, das weiß ich nicht.

Mir war vor dieser kleinen Versuchsreihe nicht klar, dass Googles Interessen dynamisch bzw. kurzlebig sind und um Predictions angereichert werden.

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